Die ideologischen Grundlagen des türkischen Ultranationalismus beruhen auf einer ethnisch konnotierten Konstruktion der Übersteigerung nationaler Zugehörigkeit, die sich primär auf die Türkei als kulturellen und politischen Referenzraum bezieht. Diese Form des Ultranationalismus ist durch eine sogenannte essentialistische Vorstellung von „Türkentum“ geprägt, die kulturelle Homogenität postuliert und gesellschaftliche Diversität als Bedrohung für die nationale Integrität interpretiert.

Im deutschen Kontext ist der türkische Ultranationalismus nicht ausschließlich als ein „importiertes“ Phänomen zu verstehen, sondern als transnationales Ideologiemodell, das sich unter spezifischen gesellschaftlichen Bedingungen in Deutschland angepasst hat. Innerhalb türkeistämmiger Menschen haben sich politische, kulturelle und religiöse Netzwerke etabliert, die nationalistische Diskurse reproduzieren und an lokale Kontexte adaptieren. Diese Netzwerke agieren nicht nur als ideologische Multiplikatoren, sondern auch als soziale Räume der Identitätsbildung.

Ein bedeutender Faktor für die Attraktivität ultranationalistischer Orientierungen ist die Erfahrung struktureller Exklusion und sozialer Marginalisierung, insbesondere unter türkeistämmigen jungen Menschen. Diskriminierungserfahrungen und die wiederholte Infragestellung gesellschaftlicher Zugehörigkeit zu Deutschland können Prozesse der Entfremdung initiieren und die Hinwendung zu ethnisch aufgeladenen Identitätsangeboten begünstigen. In diesem Zusammenhang fungiert der Ultranationalismus als kompensatorisches Identitätsmodell, das klare Zugehörigkeitskriterien und ein starkes kollektives Narrativ bietet.

Ideologisch ist der türkische Ultranationalismus in ein breiteres Diskursfeld gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit eingebettet. Er operiert mit einfachen Freund-Feind-Konstruktionen, hierarchisiert Menschengruppen und legitimiert Exklusion und Radikalität. Historisch lassen sich seine Wurzeln bis in die Spätphase des Osmanischen Reiches zurückverfolgen, wobei unterschiedliche Strömungen prägend waren. Organisatorisch manifestiert sich der Ultranationalismus in politischen Bewegungen, kulturellen Vereinigungen und transnationalen Netzwerken, die eine übergeordnete türkische Identität propagieren und ein expansionistisches Leitbild eines vereinigten, kulturell sowie sprachlich homogenen Großraumes der Turkvölker („Turan“) besitzen.

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem türkischen Ultranationalismus erfordert eine interdisziplinäre Perspektive, die sowohl migrationssoziologische als auch politikwissenschaftliche und kulturtheoretische Ansätze integriert. Von besonderer Relevanz ist dabei die Frage, wie Prozesse der Identitätsbildung unter Bedingungen gesellschaftlicher Pluralität verlaufen und welche Rolle ideologische Angebote in der Konstruktion von Zugehörigkeit spielen.